Unmögliches und Mögliches in Freienohl mitten im 19. Jahrhundert:  1844, 1853, 1855, 1858

1844: Da war alles – nicht – ganz anders mit der Jugend!

Wer diese Jahreszahl übersieht, könnte beim Lesen meinen: klar, 2010.

Und wieder ganz anders rund um 2025: Mit dem Handy in der Hand kommt man in die Schule, in die Klasse, in die Schulstunde… na, na, no, no… „Varietas delectat – Abwechslung macht Freude“; Schüler, Lehrer, Eltern mal befragen!

Nun zu den Akten:

Am 15. Juni 1844 informiert die „Königliche Regierung in Arnsberg, die Abteilung für Kirchen- und Schulwesen sämtliche Herren Landräte, Magistrate, Amtmänner, Superintendenten, Dechanten, Schul-Inspektoren und Pfarrer“:

Ein paar Vorbemerkungen können helfen, einige Vokabeln von damals besser zu verstehen. Dieser Absatz kann aber auch ausgelassen werden.

Der sprachliche Stil, die Grammatik wurde beim Abschreiben beibehalten; die Rechtschreibung der Gegenwart angepasst. - Mit der evangelischen Konfirmation ist auch die katholische Firmung mit gemeint. - Die Elementarschule (vom 6. bis 14. Lebensjahr) entspricht der heutigen Grund- und Hauptschule. - Das Wort „Behufe“: aus diesem Grund. - Landrat: heute Regierungspräsident; Magistrat: Bürgermeister, von der politischen Gemeinde gewählt; Amtmann: für die politische Gemeinde der Stellvertreter des Landrats; Superintendent: der evangelische Dechant; Dechant: der katholische Vorsitzende von mehreren Pfarreien, vom Bischof ernannt; Pfarrer: der vom Staat mitbezahlte Pastor einer Kirchengemeinde; Schul-Inspektor: 2 Stufen: Local-Schul-Inspektor, in Freienohl der Ortspfarrer, Kreis-Schulinspektor: katholisch: Dechant (damals in Hüsten), evangelisch: Superintendent.

Die Abschrift von 1844:

„Die Erfahrung hat gelehrt, dass, weil die Mehrzahl der mit der Confirmation aus den Elementarschulen ausscheidenden und unmittelbar in das praktische Leben eintretenden jungen Leute fernerhin aller fortdauernden und an die Bemühungen der Schule sich anschließenden geistigen Anregung entbehren und selbst das in der Schule Erlernte bald wieder vergessen, die Früchte des Volksunterrichts bei aller demselben gewidmeten Aufmerksamkeit den Erwartungen im gewünschten Maße nicht entsprechen.

Man hat längst erkannt, wie notwendig es sei, solchen aus der Schule entlassenen und zu deren Besuch nicht mehr verpflichteten jungen Leuten durch einige wöchentliche Unterrichts-Stunden den Besitz des Erlernten zu sichern, in religiöser und sittlicher Beziehung fortdauernd auf sie einzuwirken und sie auf angemessene Weise noch mit Kenntnissen zu bereichern, welche auch für die einfachsten Lebensverhältnisse sich ihnen als nützlich bewähren würden.

Es sind daher zu diesem Behufe in mehreren Städten unseres Bereichs Sonntags-Schulen für Handwerkslehrlinge und für solche, die noch des nachhelfenden Schulunterrichts bedürfen, mit fruchtbringendem Erfolge errichtet worden.

Für den Zweck im Allgemeinen ist jedoch dadurch nicht geschehen, was notwendig erscheint, und durch fortgesetzte Bemühungen wohl erreicht werden kann.

Wir wenden uns deshalb an die Geistlichen und Lehrer, deren Beruf es ist, für die Bildung des Volkes in gemeinnützigen Kenntnissen und in sittlicher und religiöser Hinsicht nach ihren Kräften zu wirken, mit der Aufforderung, jeder in seinem Kreise zu veranlassen, dass teils an den Abenden der Wochentage, teils an den Sonntags-Nachmittagen einige Stunden wöchentlich für die der Elementarschule entwachsene Jugend zur Fortbildung in den in der Schule erworbenen Fertigkeiten und zum Vorlesen religiöser und belehrender Schriften, die nach Rücksprache mit den betreffenden Schul-Inspektoren auszuwählen sind, bestimmt werden, und hegen das Vertrauen zu den Ortsbehörden, Magistraten, Amtmännern und Landräten, sowie zu den Schulvorständen, dass sie ihnen zur Erreichung des angedeuteten Zwecks durch ihren Einfluss hilfreich sein werden.

Wir bemerken, dass sich auf dem gewöhnlichen Wege administrativer Anordnungen und Befehle nicht zum Ziel gelangen lässt. Die Veranstaltungen sind vielmehr so zu treffen, dass sie den Gemeinde-Gliedern und Familien-Vätern Verpflichtungen, die durch das Gesetz nicht geboten sind, nicht auflegen, aber wenn auch nur in Übereinstimmung mit Wenigen, ins Leben gerufen, werden sie, das bezweifeln wir nicht, durch ihre Zweckmäßigkeit sich nach und nach den anfangs Abgeneigten empfehlen und sie zu den jedenfalls nur geringen Opfern, welche die Einrichtung der Fortbildungs-Schulen erfordern möchte, bereit machen.

Vornehmlich würde der Zweck dadurch erreicht werden, wenn sich zur Förderung desselben in den einzelnen Städten und Gemeinden oder auch in größeren Distrikten Vereine unter Mitwirkung angesehener und an der Wohlfahrt des Volkes besonders teilnehmender Männer bildeten.

Hierzu die Einleitungen zu treffen, veranlassen wir die Superintendenten und Schul-Inspektoren in Gemeinschaft mit den Landräten, Magistraten und Ortsbehörden.

Über den Erfolg Ihrer Bemühungen wollen wir die Berichte der Landräte und Schul-Inspektoren in der ersten Woche des Novembers in diesem Jahr erwarten.

Zur Beratung über diesen Gegenstand können die von den Schul-Inspektoren zu haltenden Lehrer-Conferenzen diesen, zu welchen für diesen Fall auch die Pfarrer einzuladen sind, und an denselben teilnehmen werden.“

Als Kommentar genügt: Früher war alles ganz anders! Gar nicht!

(AA 1162, Freienohler Akten im Stadtarchiv Meschede im Freienohler Amtshaus)

1853: Gänsekiele gegen Stahlfedern! Was sind denn Gänsekiele?

Eine Bekanntmachung der Königlichen Regierung in Arnsberg, Abteilung Kirchen- und Schulwesen, im Amtsblatt am 8. Dezember 1853: „Es ist mehrfach bemerkt worden, dass schöne Handschriften der Schüler mit der allgemeinen Benutzung der Stahlfedern seltener werden. Da sich die Handschriften der Kinder beim Gebrauch der Stahlfedern und besonders der gewöhnlich in den Händen der Schüler befindlichen schlechteren Sorten nicht so gut ausbilden können als bei dem Gebrauch der mit größerer Leichtigkeit und Freiheit hat sich das nächste Kapitel schon eingeschlichen?) zu führenden Gänsekiele, so empfehlen wie hierdurch für die sämtlichen unter unserer Aufsicht stehenden Schul-Anstalten unseres Verwaltungsbezirks die Benutzung der Gänsekiele beim Unterricht im Schreiben.“ (AA 1162)

Ur-Oma und Ur-Opa, eher: Opa und Oma kennen noch Redis-Federn und „richtige Tinte“. Aber Gänsekiele? Mal probieren mit Tinte bei...!

1855: Mit demokratischen Liedern sind Freienohler Eltern, Lehrer und Schüler politisch aktiv, - wenn auch nicht bei allen beliebt!

 

Am 23. November 1855 erlässt aus Arnsberg der Landrat Freiherr von Lilien eine Verfügung an den Freienohler Bürgermeister Thüsing: „Nach einem Bericht des Herrn Schul-Inspektors Schlüter (für den kirchlichen Schulbereich der Vorgesetzte für den Local-Schulinspektor, Orts-Schulinspektor, Schlüter war Pfarrer und Dechant) in Hüsten an der Königlichen Regierung in Arnsberg haben sich bei den diesjährigen abgehaltenen Revisionen (Überprüfung des Schulbetriebs, der Schulleistungen) der dortigen Knabenschule (das Wort „Jungen“ kannte man in diesem Zusammenhang noch nicht, und mit Schule ist die Schulklasse gemeint) haben sich in den Liederheften der Kinder mehrere demokratische Lieder vorgefunden. Daher werden Sie beauftragt, einige Exemplare der gedachten (gegenwärtig: der gemeinten) Liederhefte einzuziehen und binnen drei Tagen an mich einzureichen. Es ist dabei indessen mit der nötigen Vorsicht zu verfahren, damit die demokratischen Lieder nicht vorher aus den Heften verschwinden.“

Am 27. Dezember 1855 erhält Pfarrer Brand die zwei eingereichten Liederhefte zurück; mehr ist nicht aktenkundig, auch nicht, welche Lieder in den Heften standen, welche gesungen wurden.. Pfarrer Brand war 1855 Local-Schulinspektor, d.h. er war der kirchliche Schulvorstand; der politische war der Amtmann.

Einige der damaligen „demokratischen Lieder“ finden sich heutzutage schnell im Internet und auch im „Studenten-Liederbuch“ im Stadtarchiv Meschede im Freienohler Amtshaus. Einige Titel: „Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten?“; „Frei und unerschütterlich wachsen unsere Eichen“; Hoffmann von Fallersleben: „Wann wir schreiten Seit an Seit“; „Jüngst stieg ich einen Berg hinan“; „Hört ihr, wie sie Geld schreien“; „Denn warum sind wir arm“; „Mit blutigem Banner stieg hernieder“. - Manchmal hießen in den Behörden diese „demokratischen Lieder“ auch „sozialistische Lieder“.

Verantwortlicher Lehrer dieser Lieder war Friedrich Leismann. Er hatte vor 20 Jahren die Lehrer-Prüfung nach seinem dreijährigen Schullehrer-Seminar in Büren im August 1835 mit „Sehr gut“ bestanden und das „Zeugnis Nr. I“ erhalten.

Aus anderen Leismann-Akten kann ganz sicher gefolgert werden: :Lehrer Leismann wusste bestimmt einiges von „1848“: „Kommunistisches Manifest“, Karl Marx und Friedrich Engels, Märzrevolution in Deutschland, Deutsche Nationalversammlung in der Paulskirche in Frankfurt; Freiligraths Gedichte: „Die Revolution“, „Februarklänge“, „Die Republik“, „Freie Presse“ - In Deutschland wird der zwölfstündige Arbeitstag gefordert; denn 14 bis 16 Stunden sind auch für Jugendliche (14. bis 18. Lebensjahr) üblich. - Dass damals in Amtsstuben in Arnsberg und Freienohl und auch im Pastorat der Wortgebrauch von „demokratisch“ und „sozialistisch“ gleichbedeutend und gleichgewichtig verwendet worden war, ist in den Leismann-Akten – peinlich und spannend bis zum Platzen seines Kragens - und in den anderen Akten um „1848 in Freienohl“ nachlesbar. - Hier ging es nur darum: Eltern, Lehrer und Schüler und die Behörden waren politisch aktiv!

1858: Antonette Bause, eine ganz besondere Lehrerin in Freienohl!

Oder: „Eine Henne fliegt nicht über die Mauer!“ Oder doch?

Die Hennen-Erfahrung stammt aus der „Parömie“ aus dem Sprichwort-Schatz der Jurisprudenz des 19. Jahrhunderts, z. B.: „Ein Leibeigener kann nicht Bürger werden.“ Und: „Eine Henne springt nicht über die Mauer!“ Und wenn die Henne doch über die Mauer springt? Gilt dann das andere Sprichwort? „Kräht die Henne, schweigt der Hahn, ist das Haus gar übel dran!“ Die Lehrerin wird es zeigen!

Beim Überspringen der Mauer wird die Freienohler St. Nikolaus-Schützenbruderschaft mit geholfen haben; freilich den Grund gelegt hat wohl mit seinen Bausteinen der Freienohler Maurermeister und Bauunternehmer Franz Göckeler. Er gehört auch zu jenen Freienohler Handwerksmeistern, die mit Hilfe ihres beruflichen Könnens und Herumkommens einiges Lebenswichtige erfahren, verstanden haben, manchmal auch dank der Ehefrau aus dem Nachbardorf. Also zunächst biographische Daten:

Der Vater des hier gemeinten Franz Göckeler hieß auch Franz, er war verheiratet am 17.1.1926 mit Margaretha Cohsmann. Diese Beiden hatten drei Söhne: Franz, Kaspar und Fritz, alle Maurer, im Baugeschäft. Der älteste Sohn ist der für das Jahr 1858 gewichtige.

Franz Göckeler, geb. etwa 1813/14; Maurermeister, Unternehmer; mit dem Beinamen: Thrinen; gest. 10.9.1897; Alte Haus-Nr. 107 a.(Chausseestr. / Hauptstr.)

erste Heirat: am 16.5.1854 mit Christine Tönne: geb. 5.1.1831; gest. 24.4.1866;

zweite Heirat: am 24.8.1867 mit Maria Catharina Margaretha Franzes aus Niederberge: geb. etwa 1813; gest.24.4.1882.

Kinder aus dieser 2. Ehe: Sohn: geb. 7.2.1869, gest. 7.2.1869 (im Friedhofs-Register namenlos; Gertrud: geb. 23.2.1870, gest. 21.4.1870. - Einiges mitgemacht hat diese Familie!

Dieser Franz Göckeler hat nicht nur die üblichen Wohnhäuser gebaut. Er war auch Bau-Unternehmer. Die Akten zeigen für Fachleute vom Bau sehr ausführliche Planungen von der Reparatur des ganz alten Rathauses mit dem Einbau von zwei Klassenzimmern (zwischen der jetzigen Volksbank und dem Neubau der sogen. Alten Schule: jetzt Friseur-Salon von Frau Friseurmeisterin Brigitte Bornemann), dann Planung und Bau der „Zwischen“-Schule mit dem Amtshaus. Gerade für dieses Gebäude war Franz Göckeler nicht nur als Maurermeister und Bau-Unternehmer tätig, sondern auch Gemeinde politisch. Denn dieses Gebäude sollte als Schule zuerst woanders hinkommen, in den Gördes´schen Garten. Aber dann erwies sich der Garten der jüdischen Familie Leser Rosenthal als günstigster Bauplatz für Freienohl... politische Aktivität! Hier nicht weiter entfaltet, aber im Schul-Kapitel.

Franz Göckeler: Familien-Erfahrung, Maurermeister, Bau-Unternehmer, politisches Engagement für Freienohl: die besten Voraussetzungen für seine Mitgliedschaft in der Freienohler St. Nikolaus-Schützenbruderschaft – und für den Schützenkönig 1858!

Selbstverständlich war seine Schützen-Königin die in Freienohl hochangesehene Lehrerin Antonette Bause! Ihr Arbeiten in der Mädchenschule hatte er seit Jahren kennen gelernt, von all den üblichen Reparaturen, die im Laufe der Zeit in einem Klassenraum anfallen. Man kennt sich durch das Zusammenleben, Zusammenarbeiten zwischen Eltern, ihren Schulkindern, der Lehrerin und dem Lehrer. Der Schützenbruder und Schützenkönig kannte ihren aktiven Lebensstil. Sonst hätte Antonette Bause die Wahl der Schützen sicher nicht angenommen.

Am 14. September 1836 wird die Schulamts-Kandidatin Antonette Bause, bisherige Hilfslehrerin in Kalle, nach Freienohl versetzt zur Lehrerin der Mädchenschule. Sie begann ihre berufliche Laufbahn in Kalle, „zur hohen Zufriedenheit der Gemeinde Kalle“ (die schrieb sich damals auch mit K). (AA 1361)

Was eine Hilfs-Lehrerin in jenen Jahren zu tun hatte, wird – dankbar! - übernommen aus der „Chronik der Pfarrgemeinde St. Severinus Calle“ (Schneider, Heinz-Josef Padberg, Petersmann; Herausgeber: St. Severinus-Schützenbruderschaft Calle e.V. 1658; 2.1991 S. 46 ff., 67): Pastor Böschen zu Meschede schreibt am 12.1.1823 für die Schule zu Calle (bei dieser Abschrift wird angenommen, dass die Schilderung auch für Antonette Bause gegolten hat): „ Die angestellte Gehülfs-Lehrerin nimmt die schulpflichtigen Kinder in Calle nach dem vollendeten sechsten und von dem auswärtigen Kirchspiele nach dem siebten Jahre, worüber der Pastor Ostern und am Ende des Oktobers ein Verzeichnis aufstellt, vom Anfange in die Schule auf, teilt dieselbe in drei Klassen, nämlich 1. die ABC – 2. die Buchstabier – 3.die Leseschüler, und unterrichtet sie nach der vorgeschriebenen Methode, damit sie im zehnten und elften (Lebens-) Jahr höchstens (vollständig) fähig zum Aufsteigen in die obere Schule (Klasse) sind... Die Lehrerin fängt im Winter des Morgens nach der Hl. Messe um 8 Uhr die Schule an, sieht die des Tages zuvor gemachte Handarbeit und Schreiben der kleineren Kinder aus Kalle bis zur Ankunft der Auswärtigen nach, fängt dann um einhalb neun Uhr die Schule an, welche bis halb elf Uhr dauert, wo sie dann die Knaben aus Kalle nach Hause, die Auswärtigen in die obere Schule entlässt, die Mädchen aus der oberen Schule dafür zu sich nimmt und bis halb zwölf Uhr Unterricht in der Handarbeit allen erteilt, und die Handarbeit nachsieht. Des Nachmittags von ein bis drei Uhr wird von ihr der Literatur-Unterricht erteilt. Um drei Uhr werden die kleinen Knaben wie des Morgens entlassen, und sie gibt eine Stunde Handarbeit wie des Morgens, wovon die Monate November, Dezember und Januar für die Auswärtigen eine Ausnahme machen. Der Lehrer... (hier ausgelassen) Die oft noch schlecht ausgebildeten Hilfslehrerinnen verließen die Schule häufig schon nach kurzer Zeit. Am 4.3.1837 (da war Antonette Bause schon 1 Jahr in Freienohl) kritisierte die Regierung in einem Schreiben an den Schulinspektor Pfarrer Böschen in Meschede: „Der häufige Wechsel, wie dieser seit 1822 sechsmal vorgefallen ist, wirkt sehr nachteilig auf die Schulbildung und ist nach Möglichkeit zu vermeiden“ Dies lag besonders an den ungünstigen Verhältnissen. Die Lehrerin wohnte im Haushalt des Lehrers, musste der Hausfrau in ihrer Freizeit zur Hand gehen und ihr Zimmer mit der Tochter des Lehrers oder einer Magd teilen. Sie bekam nur einen geringen Lohn, der nur für das Notwendigste reichte. Für die Bekleidung hatte der Lehrer aufzukommen. Mehrmals beklagten sich die Lehrerinnen beim Schulvorstand, weil sie dringend benötigte Wäsche noch nicht bekommen hätten. Die völlige Abhängigkeit führte oft zu Unstimmigkeiten und Beschwerden...“ - Im Band „950 Jahre Kirchspiel Calle, 1042 – 1992“ von Heinz.Josef Padberg, Seite 33 schreibt der damalige Lehrer Köper: „Ich besitze ein Haus... Seit 1822 bin ich verheiratet, habe 7 Kinder, wovon 4 sich selbst ernähren können...“ Da wohnt Antonette Bause zwischen 1833 und 1836.

Im Jahr 1836 war sie etwa 23 bis 25 Jahre alt.

Zwischenbemerkungen: Die Titel Amtskandidatin oder Amtsbewerberin bedeuten noch keine „definitive Anstellung“; für heutzutage: keine „Verbeamtung“. Mädchenschule = Mädchenklasse. Zum Fräulein: bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts war eine Lehrerin nicht verheiratet; wenn sie heiratete, wurde sie pensioniert, wenn sie „definitiv“ angestellt war. Lehrer durften heiraten.

Schülerinnen-Anzahl in Freienohl in der Mädchenklasse jeweils in einem einzigen Klassenraum: 16. Mai 1840: 108 (AA 1162); 21. Januar 1841: 95 (AA 1314); 26. Februar 1843: 89 (AA 1314); alle im Alten Rathaus mit der Knabenschule, der Amtsstube des Bürgermeisters und der mietfreien Wohnung der Lehrerin Bause.

Am 13. Juli 1843 beantragt der Schulinspektor in Hüsten (Dechant) beim Freienohler Bürgermeister Alberts und beim Pfarrer Sporkmam für „die schon 7 Jahre lang gewissenhaft verwaltete Schulamts-Kandidatin Antonette Bause die feste Anstellung“. - Am 30. Dezember 1843 erhält sie „ihr Anstellungs-Patent als Lehrerin bei der Mädchenschule in Freienohl“. Sie erhielt schon für ihre Wohnung freie Benutzung vom Brennholz der Schule (17. August 1843). - Am 15. Juli 1845 unternimmt sie einen besorgten „Amtsbesuch“ - im selben Haus: Weil die Brennholz-Besorgung jetzt anders geregelt sei, bittet sie um eine Vergütung, um sich das Brennholz selbst beschaffen zu können „für wenigstens 3 Klafter wie bisher in Natura und zerkleinert“. Wird genehmigt. (AA 1361) 1 preußisches Klafter Brennholz: 3,339 „Qubikmeter“ oder 2 – 3 Festmeter.

Am 21. September 1847 geht es im Protokoll der Gemeinde-Versammlung um die Reparatur der Schulzimmer im ganz Alten Rathaus: „Der Bau solle sich auf Abhülfe (so sagte man damals für Abhilfe) der allernötigsten Mängel beschränken...Die Fußböden in beiden Schulstuben und die Beschaffung neuer Fenster an Stelle der alten erblindeten.... Der Lehrerin Bause soll eine Mietentschädigung zuteil werden... Ihr müsste die Beschlussfassung dieser Versammlung vorgelegt werden.“ - Am 17. Januar 1848 schreibt der Arnsberger Landrat an den Freienohler Amtmann, „...dass die Arbeit bei eintretender günstiger Witterung beginnen und im Laufes dieses Jahres ausgeführt werden kann.“ - Lehrerin Bause gibt am 29. Februar 1848 nach Einladung des Amts ihre sehr gründliche und auch deutliche Stellungnahme ab. Ein gewiss beachtlicher Einblick in den Alltag einer und dieser Lehrerin; im Stil nicht flüssig zu lesen: „...Weil ihre Wohnung zu den Schulstuben gezogen werden soll, muss sie ihre Wohnung in demselben verlassen. Ihr wurde ferner eröffnet, wie unter diesen Umständen sie sich für die Folge selbst eine Wohnung zu beschaffen habe und über die von ihr verlangte Mietentschädigung und ihre Erklärung abzugeben: Nach meinem Hebezettel vom 17. August 1843 (Bescheinigung von ihrem Amtsbeginn) ist mir freie Wohnung in dem Schulhaus zugesichert worden... Sollte mir diese nun genommen werden, so muss ich fest darauf bestehen, dass mir eine andere Wohnung wieder beschafft wird. Dieselbe muss aber wenigstens die nämlichen Räume enthalten, welche die von mir bisher benutzten im Schulhaus hat und zwar eine Wohnstube, eine Schlafstube, eine Küche und einen Keller. Auch muss ich jedenfalls darauf beharren, dass solche ganz in der Nähe der Schule sich befindet, wenigstens nur so viel als möglich in deren Nähe beschafft wird, damit ich ohne wesentliche Störung des Schulunterrichts meine häuslichen Geschäfte wie bisher selbst besorgen kann, die ich wegen meines geringen Einkommens nicht durch eine Magd oder sonst durch andere ausführen lassen kann. Namentlich lässt es meine karge Besoldung nicht zu, bei anderen Leuten zu Kost zu gehen und diesen ein hohes Kostgeld zu zahlen oder die erforderlichen Lebensbedürfnisse nur durch eine Magd bewirten zu lassen und dieser dafür einen Lohn zu geben. Ich bin also lediglich darauf hingewiesen (heute: angewiesen), dieser Zubereitungen mich selbst zu unterziehen. Überhaupt würde es mir sehr lästig und unangenehm sein, von der Schule und der sich in ihrer Nähe befindlichen Kirche entfernt zu wohnen und wird man es mir um so weniger verargen können, auf alles dieses fest zu bestehen, als mir einst gesagt wurde, freie Wohnung im Schulhaus zusteht und wohl dieses nichts angenehmer und zweckmäßiger ist, als gleichzeitig in der Schule zu wohnen. Ich glaube, es nicht nur mir selber sondern auch der Schulstelle überhaupt schuldig zu sein, dafür zu sorgen, dass sie in gar keine Beziehung beeinträchtigt oder verschlechtert werde, was aber jedenfalls geschehen wird, wenn ich zugeben würde, dass die Wohnung aus dem Schulhaus entfernt von dem verlegt wird. Dann behalte ich mir aber auch noch die Befugnis vor, die mir angewiesene Wohnung vorher in Augenschein zu nehmen und dieselbe nicht anzunehmen, falls sie mir nicht passend oder meinen Wünschen entsprechend sein möge. Sollte es aber der Gemeinde nicht möglich sein, mir eine Wohnung in der angegebenen Art zu beschaffen und sie es in diesem Falle mir selbst überlassen wollte, mir eine Wohnung zu beschaffen, so fordere ich dafür eine Mietentschädigung von jährlich 40 Taler. Diese Forderung kann keinesfalls zu hoch sein, wenn berücksichtigt wird, welche Räume ich mir dafür zu beschaffen habe und wie hoch anständige (=anstehende) Mieten monatlich in der Nähe der Schule zu stehen kommen. Ich werde mich unter keiner Bedingung dazu verstehen, von dieser Forderung auch nur das Geringste abzulassen und muss ich noch nebenbei, falls diese Forderungen von Seiten der Gemeinde akzeptiert werden, oder sie mir in der Nähe der Schule selbst eine Wohnung beschaffen sollte, darauf bestehen, dass – falls der Schulstelle davon etwas vergeben werden sollte – die Genehmigung des Schulvorstandes dazu vorher erfolgt, da ich mich einseitig nicht befugt erachte, die Schulstelle auch nur im Geringsten zu beeinträchtigen .“ Unterschriften: Bause. Lehrerin, Wiethoff, Amtssekretär (AA 1314)

Am 5. Juli 1849 der Beschluss der Gemeinde-Versammlung: „Die beiden Schulen und die Wohnung der Lehrerin im Schulhaus sollen zu Beginn der Ferien repariert werden.“ (Gemeint sind die Jungen- und die Mädchen-Klasse im Alten Rathaus. AA 1310)

Das Besorgen einer Wohnung für die Lehrerin Bause - im August 1850 – ist schwierig, weil in den vorgeschlagenen Wohnungen keine eigene Küche für sie sei (beim Schuhmacher Helnerus, bei der Witwe Kehsler). Auf den Vorschlag, sie könne die Kochstelle im jeweiligen Haus mitbenutzen, geht sie nicht ein: „Dieses halte ich mit meiner Stellung als Lehrerin nicht vereinbar.“ (AA 1314)

Am 1. Dezember (?) 1852 beschwert sich Lehrerin Bause beim Schulvorstand: Pfarrer Brand, Amtmann Devivere, Funke und Sahse: Es geht um die „ordentliche Benutzung der Schultreppe. Dabei belästige die Knabenschule die Mädchenschule.“ Genannt wird „die östliche Seite des Schulhauses“. (AA 1367)

Am 12. Februar 1857 hat die Freienohler Gemeinde-Versammlung an die Lehrerin Bause beschlossen „eine Gehaltserhöhung als ein besonderes Anerkenntnis für ihre Leistungen und außerdem erhält sie 3 Klafter Holz frei Haus.“ Die Unterschriften, - die sind wichtig für den kommenden Sommer-: Amtmann Boese, Josef Funke, Heinrich Flinkerbusch, Heinrich Sahse, Friedrich Schwefer, Franz Tönne und Fritz Ernst Kerstholt. - Dieser Gemeinde-Beschluss wird ihr hoch offiziell aus Arnsberg zugeschickt mit der Unterschrift vom Landrat Freiherrn von Lilien am 23. Februar 1857. (AA 1361)

Vor dem nächsten aktenkundigen Termin und der nächsten Akte passiert es: Beim Schützenfest 1857 der St. Nikolaus-Schützenbruderschaft wählen Schützenkönig Maurermeister Franz Göckeler mit den Freienohler Schützen die Lehrerin Bause zur Schützenkönigin! Und sie hatte die Wahl angenommen!

Zwei Zwischenbemerkungen: Der Pfarrer in Freienohl Franz Joseph Brand, geb. 1808, war gestorben am 9.12.1857 an einem Leberleiden und der im Sauerland herrschenden Ruhr-Krankheit; er hatte schon den Kaplan Böller aus Rumbeck als Vertreter. - Der folgende Pfarrer: Johann Heinrich Adams, geb. 1814 in Warstein, Priesterweihe 1840 (da war Antonette Bause schon 7 Jahre im Schuldienst), erste Stationen: Beringhausen, Suttrop, Pfarrverweser in Madfeld, Kaplan in Kallenhardt (das mag zeigen: er kannte sich wohl aus im Sauerland), Pfarrer in Freienohl am 19.1.1858; er starb 1881 an einem Gehirnleiden. Eine solche Krankheit entsteht nicht immer von heute auf morgen.

Das Ereignis im Sommer 1857, als er noch gar nicht in Freienohl war, das hat dem neuen Local-Schulinspektor Pfarrer Adams überhaupt nicht gepasst. Er schreibt der Lehrerin Bause, die schon über 20 Jahre in Freienohl arbeitete und die Freienohler wirklich kannte und deren inzwischen erwachsene Schützenbrüder ihre „alte Lehrerin“ auch kannten, am 17. Juli 1858 seinen Brief: (PfA A 11)

„Wie ich erfahren (habe: fehlt), haben Sie im vorigen Jahre nicht bloß den von der hiesigen Schützengesellschaft veranstalteten Festlichkeiten beigewohnt; sondern auch dabei sogar die Rolle einer sogenannten “Königin“ übernommen. Damit muss ein solches Verhalten mit Ihrer Stellung als Lehrerin selbstredend als durchaus unvereinbarlich erscheinen; dieser Ihrem dabei weltlichen Vergnügungen und öffentlichen Aufzügen schon fern stehende Beruf es Ihnen vielmehr zur heiligen Pflicht macht, indem Sie sich mit dem Posten einer bescheidenen Führerin der noch unschuldigen Jugend begnügen, den Ihnen anvertrauten Kindern das vor allem so wichtige und so vorzüglich wirksame, schöne Beispiel eines unzweideutigen jungfräulichen Sinnes und besonderer Eingezogenheit (Zuückgezogenheit) zu geben; so sehe ich mich veranlasst, Ihnen für dieses Jahr, sowie resp. (beziehungsweise) für künftig überhaupt, jedwede Beteiligungen an dem Schützenfeste und der dabei stattfindenden Lustbarkeit hiermit förmlich zu untersagen. Für den Fall, dass Sie auch dieses ausdrückliche Verbot wider Verhoffen (hoffentlich nicht) unbeachtet lassen sollten, haben Sie zu gewärtigen (damit zu rechnen), dass ich ohne Säumnis (sofort) die Einleitung einer Disziplinar-Untersuchung gegen Sie bei der Behörde beantragen werde. - Adams, Pf.“

Eine schriftliche oder auch mündliche Antwort der Lehrerin Bause ist – leider – nicht aktenkundig. Auch nicht eine Reaktion der Schützengesellschaft.

„Wegen der definitiven Anstellung der Lehrerin Bause aufgrund ihrer langen Dienstzeit“ fragt am 5. März 1860 aus Arnsberg die Königliche Regierung die Abteilung des Innern, unterstützt am 7. März 1860 vom Landrat von Lilien beim Freienohler Schulvorstand nach. Der Beschluss des Schulvorstandes vom 13. März 1860, unterschrieben vom Local-Schulinspektor Adams, Pfarrer, vom Amtmann Boese, ferner von Sahse und Funke: „Wenn auch die Leistungen der Lehrerin Bause als Verwalterin der hiesigen Mädchenschule befriedigend zu nennen sind, so hat dieselbe doch während ihrer hiesigen Wirksamkeit nicht den sittlichen Ernst und das eingezogene (zurückgezogen lebende) Wesen, noch auch den religiösen Sinn, sodann vielfach nicht die Folgsamkeit gegen ihren unmittelbaren Vorgesetzten (Pfarrer Adams) bewiesen, welche man überall bei einer für das wichtige Geschäft der Jugenderziehung zu bestellenden Jungfrau vorzugsweise wünscht und erwartet. Der unterzeichnende Schulvorstand bedauert deshalb, hiernach nicht in der Lage zu sein, eine definitive Anstellung der Bause aus ihrer Eigenschaft als hiesige Lehrerin mit gutem Gewissen befürworten zu können.“ (AA 1361)

Belege, Beispiele für diese Beurteilung sind nicht aktenkundig.

Am 10. März 1860 attestiert der Arnsberger Arzt Dr. Woerner: „Die Lehrerin Bause in Freienohl wird von mir seit einiger Zeit an einem mit sehr großer Kraftlosigkeit verbundenen Leiden behandelt, welches derselben während der nächsten 6 bis 8 Wochen die Wahrnehmung ihres Dienstes unmöglich machen wird.“

Einschub: Dr. med. Arnold Woerner, geb. um 1821, prakt. Arzt in Burbach, seit 27.2.1846 in Arnsberg, studierte in Bonn und Berlin, Promotion 28.1.1845, Approbation Oktober 1845; seit 1856 „Assistenzarzt 2ten Aufgebots“.

Eine Notiz aus Arnsberg vom 14. Juli 1860: „Schulaspirantin Sophia Götter aus Rüthen übernimmt die Vertretung für Lehrerin Bause.“ (AA 1361)

Am 7. März 1866 beantragt die Lehrerin Antonette Bause bei der Regierung in Arnsberg, dem Landrat von Lilien: „die Lehrerin-Schulstelle zu Freienohl mir definitiv zu verleihen, da ich dieselbe seit 1836 verwaltet habe und wie ich glaube zur Zufriedenheit meiner vorgesetzten Behörden und der Einsassen von Freienohl. - Auch habe ich 3 Jahre die Schullehrerinnenstelle zu Kalle versehen, ebenfalls zur Zufriedenheit meiner Vorgesetzten und der ganzen Gemeinde. Meine dreißigjährige Wirksamkeit in der Schule zu Freienohl, wo ich jedes Jahr 116 Schulkinder in den Elementargegenständen , wie auch in den weiblichen Industrie-Arbeiten (Hauswirtschaft, Textil-Handarbeit) zu unterrichten habe, ist seitens der Behörde stets anerkannt und auch gegen mein moralisches Betragen ist niemals eine Beschwerde erhoben. Meine Zeugnisse und meine provisorische Anstellung sind dem Herrn Schulinspektor Pfarrer Schlüter zu Hüsten (genauer: Kreis-Schulinspektor und Dechant) bereits zu diesem bezweckenden Antrag übergeben.“

Der Landrat notiert am Rand: „Gesehen“.

Dechant Schlüter reicht den Antrag weiter an den Freienohler Schulvorstand am 9. März 1866. Der kommt zu seinem Beschluss am 16. April 1866. Der Freienohler Amtmann Ley reicht die Unterlagen am 18. April 1866 zurück. - Der Freienohler Schulvorstand Pfarrer Adams, Amtmann Ley, Heinrich Sahse und Josef Funke beschließen – nach der Protokoll entsprechenden Einleitung: „Nach reichlicher Erwägung erklärte der unterzeichnete Schulvorstand einstimmig: Da die in dem Beschluss vom 13. März 1860 gegen die definitive Anstellung der Lehrerin Bause hierselbst geäußerten Bedenken noch fortbestehen, die Lehrerin insbesondere auch jetzt noch nicht den sittlichen Ernst und das eingezogene Wesen, sowie den religiösen Sinn und die Folgsamkeit gegen ihre unmittelbaren Vorgesetzten bewiesen, welche wir von einer Lehrerin wünschen und erwarten müssen, so bedauern wir auch dieses Mal nicht in der Lage zu sein, eine definitive Anstellung der Lehrerin Bause in ihrer Eigenschaft als hiesige Lehrerin befürworten zu können.“

Wieder fehlen Belege, Beispiele. Und dem Local-Schulinspektor ist die Vaterunser-Bitte „Wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“ wohl für die Lebenspraxis unbekannt. Die Freienohler Vorstandsmitglieder Heinrich Sahse und Josef Funke haben sich vielleicht gedacht – als „männliches Huhn“: Die gesagten Gründe sind nicht immer die wahren Gründe.

Bemerkenswert ist dann der Beschluss der (politischen, also nicht der kirchlichen) Gemeindeversammlung Freienohl vom 26. Juli 1866: Sie zahlt der Lehrerin Bause und dem Lehrer Lutter eine Gratifikation von je 15 Taler, unterzeichnet vom Amtmann Ley. -

Zwei Jahre weiter.

Am 30. Oktober 1868 schreibt der Schulinspektor Dechant Schmidt aus Hüsten (ein neuer Dechant) an den Freienohler Amtmann Ley: „Die Lehrerin Bause von Freienohl hat wiederholt um definitive Anstellung gebeten. Das Resultat der diesjährigen Prüfung war im ganzen ein völlig befriedigendes, und glaube ich, dass die Lehrerin längst begründete Ansprüche auf definitive Anstellung hatte. Zudem scheint mir ein Hauptgrund ihrer Kränklichkeit in der Nichterfüllung ihrer langjährigen Bitte zu liegen, was selbstredend auf die Schule nachteilig einwirkte. Ich habe mit dem Herrn Pastor (Adams) über den Gegenstand eingehend gesprochen und von demselben die Versicherung erhalten, dass er nicht mehr gegen (unterstrichen) die definitive Anstellung sein würde, obgleich er aus Gründen auch nicht dafür (wieder unterstrichen) sein könne. Er würde aber bei der zu diesem Zwecke anberaumten Sitzung nicht erscheinen. Ich bitte daher Euer Wohlgeboren (Zeit übliche Anrede) recht bald zu dem fraglichen Zwecke den Schulvorstand zu berufen und mir die Verhandlung einzusenden. Nach einer bestehenden Verordnung muss die Lehrerin entweder definitiv angestellt oder ihres Dienstes entlassen werden. Zu letzterem werden schwerlich Gründe genug vorliegen.“ (AA 1361)

Anmerkung: leider ist in der Akte AA 1361 zwischen dem oben zitierten Text-Blatt und dem nächsten vom 10. November 1868 irgendwann ein Blatt entfernt worden.

Der Freienohler Amtmann Ley berichtet am 10. November 1868 dem Kreis-Schulinspektor Dechant Schmidt in Hüsten, „dass der Herr Pfarrer Adams an dem Beschluss trotz der nach der beifolgenden Einwände vorschriftsmäßig bewirkten Einladung nicht teilgenommen hat...“ (AA 1361)

Am 18. März 1869 bescheinigt die Königliche Regierung Arnsberg, Abteilung des Innern: „Die Schulamtskandidatin Antonette Bause wird zur Lehrerin an der katholischen Elementar-Mädchenschule zu Freienohl hierdurch definitiv ernannt.“ (AA 1361)

Zur Erinnerung: von 1833 bis 1869, also über 36 Dienstjahre Lehramtskandidatin!

Am 3., 4. Januar 1873 bittet Lehrerin Bause um Versetzung in den Ruhestand – nach 40 Dienstjahren! „Vom Schulvorstand – vorher von der Gemeinde-Versammlung – wurde der Antrag einstimmig als begründet, sowie die langjährige segensreiche Wirksamkeit der Lehrerin Bause in hiesiger Gemeinde anerkannt und deshalb einstimmig beschlossen, mit Rücksicht auf die Gebrechlichkeit und das vorgerückte Alter der Antragstellerin eine jährliche Pension von 160 Taler zu gewähren.“ Der Arnsberger Landrat von Lilien genehmigt den Antrag und die Beschlüsse. (AA 1361)

Es kann angenommen werden, dass Lehrerin Antonette Bause von Freienohl verzogen ist, denn sie taucht nicht auf in den Freienohler Friedhofs-Listen.

Wenn Lehrerin Antonette Bause für die Freienohler Jung-Männer-Welt um 1850, 1860 „sittlich gefährdend“ gewesen wäre, dann hätten sich die Freienohler Eltern schon für ihre Versetzung eingesetzt. Darüber ist nichts aktenkundig.

Und ob der Hintergrund der „demokratischen Lieder“ von Lehrer Leismann noch bei dem Verhalten von Pfarrer Adams und Lehrerin Bause eine Rolle spielte, ist auch nicht nicht aktenkundig. Auch nicht, ob die St. Nikolaus-Schützenbruderschaft mit ihrem Schützenkönig Franz Göckeler schon eine Vorahnung hatten von den Erfahrungen des 20. und 21. Jahrhunderts zur theologisch bedachten Anthropologie oder anthropologisch bedachten Theologie der Gleichwertigkeit der Geschlechter, ist auch nicht aktenkundig. Aber aktenkundig (AA 1291) ist aus den Haushalts-Finanz-Akten der Freienohler Schule vom 1. April 1907 (!), über mehrere Jahre (nicht alle Haushalts-Finanz-Akten wurden eingesehen):: „Lehrerin Antonette Bause hat bei der Freienohler Sparkasse ein Vermächtnis hinterlassen zur Anschaffung von Lernmitteln für arme Kinder von 151,50 M.“

Heinrich Pasternak, Dezember 2010, aktualisiert September 2025