Die Pest im Sauerland - Das „große Sterben"

Die „Pestilenz" trat in Freienohl zuletzt in den Jahren 1636/37 auf, so dass die Besiedlung auf den Stand von 1550 zurückgeworfen wurde. In der Freienohler Pfarrchronik berichtete der Pastor Laurens Pontamus, dass vom Wüten der Pest in Freienohl nur sieben Eheleute verschont wurden. Die Erinnerung an diese Notzeiten ist in Freienohl lange Zeit lebendig geblieben. In einem Streit der Freiheit mit den kurfürstlichen Forstbehörden rechtfertigte die Freiheit im Jahre 1735 ihre Beweisnot mit dem Hinweis auf die erlittenen Schicksalsschläge: "Bei der Schwedischen Kriegs- und den darauf folgenden Pestzeiten wurde nicht allein der gesamte Magistrat, sondern fast die gesamte Bauernschaft (d.h. Einwohnerschaft) aus Haus und Hof vertrieben, verdorben bzw. gestorben. Den Nachkommen sei dadurch nur wenige schriftliche und fast gar keine mündliche Nachrichtung überkommen."

Zum ersten Male raffte die Pest — bekannt schon seit dem Altertum - in den Jahren 1348-1350 ein Viertel der europäischen Bevölkerung dahin. Furcht, Schrecken und Elend um sich verbreitend als einer der vier apokalyptischen Reiter. Der italienische Dichter Boccaccio, damals 35 Jahre alt, überlebte die Pest und beschrieb das Wüten dieser alten Menschheitsqual:

„Es kamen zu Anfang der Krankheit gewisse Geschwülste zum Vorschein, die manchmal so groß wie ein gewöhnlicher Apfel, manchmal wie ein Ei wurden, und schlechtweg Pestbeulen genannt wurden. Diese tödlichen Pestbeulen verbreiteten sich in kurzer Zeit über alle Körperfeile. Später aber gewann die Krankheit eine andere Gestalt, und viele beikamen auf den Armen, den Lenden und allen übrigen Teilen des Körpers schwarze und bräunliche Flecke ..."

Die Geißel der Pest galt als das dauernde Strafgericht Gottes über eine sündige Menschheit; kaum zwanzig Jahre blieben Städte und Dörfer verschont, bis irgendwo der Tod neue Ernte hielt. In den Jahren 1494/95 sollen in Dortmund 2000 und in Soest 1450 Menschen gestorben sein. Anno 1513 meldet die Chronik der Stadt Dortmund 3496 Todesopfer. Zahlen, die im Vergleich zu der damaligen Bevölkerungsziffer außerordentlich hoch sind. Dörfer und Gehöfte verödeten, nur alte Flurnamen erinnern hier und da bis in unsere Zeit an untergegangene Siedlungen.
            
Der heilige Rochus, dessen Fest am 16. August noch jetzt in vielen Gegenden Deutschlands zum Gedenken an unermessliches Leid mit Prozessionen und Bettagen gefeiert wird, galt als hilfreicher Schutzpatron vor den blutenden Beulen und eiternden „Schwären" der Pest. Auch St. Seibastianus wurde verehrt als ein starker Helfer. Auf Holz gemalt, befanden sich die Bildnisse dieser beiden Heiligen in der ehemaligen Magdalenen-Kapelle des Stifts Meschede, darunter war zu lesen:
„Demnach im Jahre 1637 eine starcke grassierende Pest alhey eingerissen und selbige durch Fürbitt der beyden heyligen Rochus und Sebastianuns täthlich liberiret worden, alß ist dessenthalben von Geistlichen und weltlichen Einwohnern dieser Freyheitt abgemeldete zu beyder Heyligen gedächtnus ein votum perpetuum auff den fünfften tagh nach S. Martini Bischoffs zu feyeren undt zu fasten, auch unnachlässig zu halten gelobt, darbenebens ist diese bildtnus zu Ehren besagter beyder Heyligen von hiesigem Erbahren Rath ad perpetuam rei Memoriam auffgerichtet worden."

Zu der Krankheit gesellten sich die Drangsale des dreißigjährigen Krieges. Jobst Schulte in Horbach im Kirchspiel Remblinghausen schreibt in einem Brief vom Jahre 1636, es sei „eine gefehrliche Krieges und Peste Zeit", und aus Eversberg wird wenige Jahre vorher berichtet: „Da ist nit allein große Pestilenz sterben, sondern auch verschiedene Armeen eingefallen, die alles ausgeraubet und verflöget haben." Und zwei Jahre später heißt es: „Zum Gedenken demnach, dass das Grundfeldische Kriegsvolk, so am 23. December Anno 1632 an die 2300 Mann stark , hier kommen und den 6. Januiarii 1633 wieder aufbrachen, eine sehr große Armut und giftige Krankheit ollhier gelassen ..."

Auch in Arnsberg gab es viele hundert Tote durch die Pest.

Die Pesterkrankung

Beim Menschen tritt die Krankheit, entsprechend der Übertragungsform und Verlauf, in unterschiedlicher Ausprägung auf. Dabei unterscheidet man zwischen drei Formen der Pest: der Beulenpest, der Lungenpest und der Pestsepsis. Am bekanntesten ist die Beulenpest (Bubonenpest); sie trägt ihren Namen, weil die Erkrankten an Leistenbeugen, Achselhöhlen oder Hals charakteristische Beulen bekommen - vergrößerte, entzündete Lymphknoten. Übertragen wird die Beulenpest am häufigsten durch den Biss verschiedener Insekten, die gewöhnlich als Parasiten auf Nagetieren leben und sich einen neuen Wirt suchen, wenn der bisherige stirbt. Das wichtigste dieser Insekten ist der Rattenfloh Xenopsylla cheopis, der als Parasit Wanderratten befällt. Bei der Lungenpest ist die Lunge der wichtigste Infektionsherd; hier erfolgt die Ansteckung durch Tröpfcheninfektion von einer bereits infizierten Person. Die Pestsepsis (Pestseptikämie) tritt nicht nur als Komplikation der Beulen- und Lungenpest, sondern auch in primärer Form ohne andere Symptome auf. Daneben sind auch milde Verlaufsformen mit abgeschwächter Symptomatik möglich (abortative Pest). Zur Pestsepsis kommt es, wenn Pestbakterien durch die Lunge in die Blutlaufbahn geraten und sich dort massenhaft vermehren. Die Pestsepsis kann auch unmittelbar entstehen, wenn verunreinigte Hände, Lebensmittel oder Gegenstände mit der Mund- oder Rachenschleimhaut in Berührung kommen.

Welche Heilmittel verwendete man damals gegen die Pest?

 Häufiges Aderlassen sollte das Blut rein halfen, und die Ärzte empfahlen den Menschen, einander zu meiden, doch konnte man der Krankheit kaum wirksam zu Leibe rücken. Der Mescheder Dechant Wilhelm Schmittman, gestorben im Jahre 1697, hatte „diese contagiose Kranckheit" erlebt, und von ihm wird sogar ein Rezept „contra pestem" überliefert. Aus dem Kraut der Bitterdistel, aus Rautenpulver, Thormantill, Safran und Theriac oder Bibernelle soll ein Trank gebraut werden: „. . .. eines jeden ein Quintlein wohl vermischet undt mitt dem besten Weinessig leibwarm eingenommen, darauff 2 oder 3 Stundt geschwitzet. Ist ,aber zu mercken daß solches geschehe in den ersten 12 Stunden undt ist probatissimum."

Ein unbekannter Arzt riet um 1500 gegen die Pest: „Des Nachts, wenn man zum Schlafen geht Soll man beschließen die Kammer sein Und einen Rauch machen darein Mit Wacholder, Lorbeer und Wermut, Das ist für die böse Luft gut..."
            
Kurfürstliche Verordnung zum Verhalten bei Pest vom 10. Oktober 1606

Geistliche und weltliche Behörden suchten verzweifelt dem schlimmen Wüten des Todes Einhalt zu bieten. Ein Erlass des Kurfürsten und Erzbischofs von Köln, gegeben auf Schloss Arnsberg im Jahre 1606, dokumentiert in aller Klarheit die bittere Not und Hilflosigkeit, wie sie immer bei Auftreten der Krankheit herrschten. In ihren wesentlichen Teilen soll diese kurfürstliche Verordnung im Wortlaut wiedergegeben werden: "Bei der im Reiche herrschenden Pest wird folgendermaßen verordnet:

  • Die Pfarrer und Seelsorger sollen die Untertanen in ihren Kanzelvorträgen zur Gottesfurcht und zur Führung eines frommen und gottseligen Lebens dringend ermahnen.
  • Überall muss die größte Reinlichkeit der öffentlichen Straßen, Plätze und Höfe erhalten werden. Insbesondere soll man alle faule Ausdünstungen verbreitende Gegenstände sowie die Exkremente der von der Pest infizierten Personen, in die fließenden Gewässer und in die heimischen Gemächer bringen.
  • Der Erkrankte muss sofort die ärztliche Hülfe suchen, und mit Gottergebenem Sinn ohne Schrecken, die im Beginn der Krankheit oft wirksam befundenen Arzneien anwenden.
  • Zu den beim Beginn der Krankheit sehr nützlichen Aderlässen müssen die Barbiere sich bei Armen und Reichen unweigerlich bezeigen. Die Ärzte mögen die Bemittelten um billigen Lohn, die Armen aber um Gottes willen bedienen, auch die Apotheker den Letzteren die verordneten Arzneien umsonst verabreichen.
  • Die Anhäufung des Düngers in den Ortschaften, so wie die Verunreinigung der Gassen darf nicht stattfinden, und sollen desfalls besondere Aufseher angeordnet werden.
  • Der die Krankheit besonders begünstigende Genuss des Branntweins wird untersagt und dessen Verkauf verboten.
  • Die Wanderer und Reisenden sollen an den Pforten der Ortschaften eidlich abgefragt werden, ob sie aus infizierten oder pestfreien Orten oder Häusern kommen, und im erstem Falle zurückgewiesen wenden. Kein Einwohner eines Ortes darf eine auswärts wohnende infizierte befreundete oder verwandte Person bei sich aufnehmen, bei Vermeidung öffentlicher und beschimpfender Leibesstrafe.
  • Zur Grabbegleitung sind Nachbarn, Zunftgenossen und Handwerker während der Dauer der Pestseuche nicht verpflichtet. Auch sind Gelage und Zechereien verboten.
  • Zur Spendung milder Gaben für die Kranken wird ermahnt. Das Halten von Schweinen, Tauben und Kaninen innerhalb der Ortschaften wird wegen ihrer schädlichen Ausdünstungen verboten. Die strenge Erfüllung der obigen Vorschriften wird den Lokalbehörden dringend befohlen.

   Schloss Arnsberg, den 1. Oktober 1606,  Ernst, Erzbischof und Churfürst."

Seit mehr als 350 Jahren blieb unsere Heimat von der gefährlichen Pestseuche verschont, nur in einzelnen Fällen trat sie 1945 auf dem europäischen Kontinent auf, an der adriatischen Küste Italiens, auf Korsika und Malta. Saubere, helle Wohnungen, in denen kein Ungeziefer in Ecken und verstaubten Winkeln lebt; trockene, luftige Keller und Stallungen, die den Ratten als Aufenthalt verleidet sind, schließlich die Erfolge der medizinischen Wissenschaft haben der Seuche Einhalt geboten.

Literaturnachweis:
Heimatkalender für das Kurkölnische Sauerland "De Suerlänner", 1966, G. Kortenkamp
Freiheit Freienohl, von Dr. Manfred Wolf, 1985
www.lehnswesen.de/page/html_pest.html