Geschichte des Handballs in Freienohl

Wiederbeginn des Handballsports nach dem 2. Weltkrieg im Jahre 1946

Es war im Winterhalbjahr 1946/47, als im ehemaligen Saal des Hotels Bracht eine Tanzschule für Fortgeschrittene stattfand. Dort traf man sich, um die abgebrochenen Tanzkurse, bedingt durch den Krieg, wieder aufzunehmen. In diesem Kurs wurden außer Kriegs- und Gefangenschafts- auch Sporterlebnisse ausgetauscht. Dabei stellte sich heraus, dass einige der Kursteilnehmer während der Kriegs- und Gefangenschaftszeit auch den Handballsport kennen gelernt hatten. Eine Sportart, die in Freienohl schon einmal in den 20er Jahren betrieben worden war. Das war der Anlass, diesen Sport auch hier bekannt zu machen. Gesagt, getan!

Die Freude und Begeisterung derer, die diese Sportart schon betreiben durften, war riesengroß. So waren bald elf Spieler, die beim Feldhandball zu einer Mannschaft benötigt wurden, zusammen. Es wurde auf dem alten Sportplatz im Langel vor der ehemaligen Schützenhalle fast täglich trainiert. Zu Beginn musste ein Gummiball als Spielgerät ausreichen, da einfach kein Lederball aufzutreiben war. Das Sportzeug bestand aus alten Straßenschuhen, Turnhose und Unterhemd. In der heutigen Zeit ist es ein leichtes, sich komplett einzukleiden. Aber zu der Zeit gab es nichts, und die Möglichkeit, auf alte Bestände langjähriger Sportvereine zurückzugreifen, fehlte ebenso. So zogen die handballbegeisterten Sportfreunde über Land und sammelten bei den Bauern Schafswolle. Diese konnte bei der Freienohler Strickerei Frischemeier gegen eine Garnitur Trikots und Stutzen eingetauscht werden. Die Farbauswahl wurde durch die Möglichkeiten der Strickerei bestimmt, so dass sich die Turaner mit grauem Trikot und grünem Kragen (Wolle aus alten Wehrmachtspullovern) begnügen mussten. Dazu trug man weiße Turnhosen. Turnschuhe hatte sich jeder unter großen Schwierigkeiten selbst besorgt. Stolz darüber, schon einmal einheitlich auszusehen und somit Zusammengehörigkeit auszudrücken, spielten die Handballer von nun an in ihrer neuen Kluft.


Freienohler Handballmannschaft vor dem 2. Weltkrieg

Stehend von links: Josef Beckmann, Emil Kuhle, Alwis Klute, August Schwefer, Franz Neise, Jupp Staudinger, Franz Köster, Josef Schnapp, August Stemmer, Willi Schwefer '
Sitzend: Kaspar Kückenhoff

Der inzwischen von August Schwefer handgenähte Lederball nahm durch den täglichen Trainingsbetrieb immer mehr die Form eines Rugbyballes an. Durch Beziehungen - nur so ging es - setzte sich mit Herbert Geißler ein Handballfreund, der ganz entscheidend an der frühen handballerischen Entwicklung beteiligt war, in den Zug nach Oberhausen, um zwei Schinken gegen Handbälle einzutauschen. Die Freude war riesengroß, als die Bälle der Mannschaft präsentiert wurden. Der Spielbetrieb konnte beginnen.

 

Die ersten Spiele - Kreismeister 1947/48

Als erster Gegner wurde der Nachbarverein TuS Oeventrop eingeladen. Der TuS zeigte den "Neulingen", wie man im Sauerland Handball spielte und schlug die Freienohler in ihrem ersten Spiel mit 16:4 Toren. Aber das tat der Begeisterung keinen Abbruch. Der nächste Gegner auf eigenem Platz war der TV Arnsberg. Auch dieser erteilte der Mannschaft eine deutliche Abfuhr - ein Stich im Wespennest. Alle trainierten nun noch intensiver, so dass außer der Kondition, die gut war, mehr taktische Varianten und Spielzüge auf dem Programm standen. Nach dem Training wussten auch die Forellen in der Ruhr von den Fertigkeiten der Handballer ein Lied zu singen. Nach Trainingsende sprangen die TuRa-Handballer nämlich in die Ruhr, da es keine Dusch- und Waschmöglichkeiten gab. Dabei gingen ihnen einige Forellen durch die Finger. Johannes Schwefer zeigte seinen Mannschaftskameraden, wie man die Forellen festhalten musste, und so kam es dazu, dass regelmäßig nach dem Training Forellen gegrillt wurden.


Handball-Kreismeister 1947- 48

Hinten von links: Herbert Geißler, Heinz Seidensticker, Klemens Melnik, Arthur Geißler, Karl Breuer, Johannes Schwefer, Betreuer August Schwefer
Mittig von links: Willi Schirp, Günter Voigt, Hans Trumpetter
Vorne von links: Albert Schwefer, Ernst Bracht, Walter Schwefer

Das tägliche Beisammensein schmiedete die Truppe immer mehr zusammen, so dass man es wagte, sich zur Kreismeisterschaft 1947/48 zu melden. Jetzt wurde es ernst. Das Nenngeld in Höhe von 40 Reichsmark wurde wie auch die Auswärtsfahrten und andere Dinge aus eigener Tasche bezahlt, obwohl Handball eine Unterabteilung des TuRa war. Der TuRa kassierte aber die Eintrittsgelder. Mit unbeugsamem Siegeswillen und getragen von absoluter Kameradschaft, legten die Turaner jeden Respekt vor großen Namen ab und gingen so durch die gesamte Kreismeisterschaft. Zum Schluss der Saison hieß der neue Kreismeister TuRa Freienohl. Der Kreisfachwart Schmidt (Arnsberg) überreichte den Pokal mit dem sinnvollen Spruch: "Elf Freunde müsst ihr sein, wollt ihr siegen!"

 

Große Gastvereine in Freienohl

In der meisterschaftsfreien Zeit war es für Gastvereine aus der Oberliga (damals höchste Spielklasse) nicht unter ihrer Würde, gegen die TuRa-Handballer zu spielen. Erwähnt seien hier Fichte Hagen, RW Oberhausen, Polizei Münster und Polizei Recklinghausen. Auch gegen diese Vereine zogen sich die Turaner immer mit knappen, achtbaren Ergebnissen aus der Affäre. Es waren echte Demonstrationen für den Handballsport. Zwischenzeitlich hatte sich eine Reservemannschaft etabliert. Eine Damenmannschaft wurde ebenfalls gegründet und mischte gut im Spielbetrieb und in der Meisterschaft mit. In der nun folgenden Bezirksserie - sie umfasste ein Gebiet von Hagen bis Brilon - belegte die "Erste" gleich wieder den dritten Platz.

 

Einstellung des Spielbetriebs

Der Währungsschnitt im Jahre 1948 brachte die Sportler durch die nun sehr weiten Fahrten in finanzielle Schwierigkeiten. Das Geld war knapp, und mancher gute Spieler benötigte jede, nun harte D-Mark zur Gründung eines Familienstandes. So kam es, dass mancher Spieler aus finanziellen Gründen nicht mehr mitmachen konnte. Den Verantwortlichen fiel es nun wie Schuppen von den Augen, dass eine große Sünde begangen worden war: die Jugendarbeit war vernachlässigt worden und ohne Nachwuchs gibt es bekanntlich kein Wei­terkommen. Geißler und seine Mannen fällten den Entschluss, sich aufgrund dieser Erkenntnisse vom Spielbetrieb abzumelden, ehe man in Schande untergehen würde. Denn nur so konnte die Freude und Begeisterung am Handballsport in Freienohl erhalten bleiben, die notwendig war, um von vorn mit einer kontinuierlichen Jugendarbeit anzufangen. Trotz Bitten des Bezirks sowie des Verzichts auf Erhebung des Nenngeldes für die neue Serie blieben die Turaner bei ihrem Beschluss.

 

Die Versuche eines Neuanfangs 1953 und 1958

Im Jahre 1953 fanden sich ein paar beherzte Sportkameraden, die an den Erfolgen 1947-49 teilgenommen hatten, bereit, der neuen Handballabteilung im TuRa neuen Aufschwung zu geben. Nach schwieriger und intensiver Trainingsarbeit konnte eine Jugendmannschaft zu den Feldmeisterschaftsspielen gemeldet werden. Die Erfolge blieben zunächst aus, da die junge Truppe noch unerfahren war. Höhepunkt dieser Ära des Wiederbeginns war die Teilnahme an den Südwestfalenmeisterschaften 1955 in Gevelsberg, nachdem man Kreismeister der Handballkreise Arnsberg, Meschede und Brilon geworden war.

Untergebracht in der dortigen Jugendherberge, verlebten die Handballer drei tolle, aber auch lehrreiche Handballtage. Gespielt wurde gegen so renommierte Gegner wie Eintracht Hagen, TuS Ferndorf, VFL Schalksmühle, Eintracht Gevelsberg und Eintracht Hohenlimburg. Nachfolgend eine aufgefangene Bemerkung: "Sportlich konnten sie zwar nicht immer mithalten, aber der gesellige Teil fand ausschließlich unter der Leitung der Turaner statt."

Nach diesem Höhepunkt hielt man sich zwar noch einige Zeit über Wasser, doch im Laufe der Zeit erstarb auch der zweite Versuch, eine Handballmannschaft in Freienohl am Leben zu halten. Eine erneute Belebung erfuhr der Handballsport in Freienohl in den Jahren 1958-60. Hier wurde die 1. Seniorenmannschaft Kreismeister im Feldhandball und nahm somit an den Südwestfalenmeisterschaften in Lüdenscheid teil. Aber auch der dritte Versuch, den Handballsport in Freienohl zu etablieren, fand auf der TuRa-Generalversammlung 1960 sein Ende. "Vatter" Voigt stellte daraufhin die selbstgefertigten Trikots der Fußballabteilung zur Verfügung.


Neuanfang am 4. März 1965

Es folgte eine fünfjährige handballfreie Zeit in Freienohl, bis schließlich am 4. März 1965 die Handballabteilung offiziell neu gegründet und wieder in den TuRa aufgenommen wurde. Auf der Generalversammlung am 27. Juni 1965 konnte Abteilungsleiter Ludwig Böhner stolz bekannt geben, dass die Handballabteilung den Spielbetrieb wieder mit zwei Seniorenteams und einer Jugendmannschaft aufgenommen hatte. Schon im Neugründungsjahr waren 55 aktive Mitglieder gemeldet. Der erste Abteilungsvorstand unter Führung von Abteilungsleiter Ludwig Böhner hatte folgendes Bild: Polizeimeister Heiner Ohlmeyer (treibende Kraft der dritten Neugründung nach dem Zweiten Weltkrieg), Kurt Fornahl, Friedel Geissler, Herbert Heckmann, Lorenz Stirnberg jun. und Reimund Kraas.

Schon 1966 zeigten sich große spielerische Erfolge, und aufgrund der guten Jugendarbeit wuchs die Handballabteilung mit 78 Aktiven zur zweitstärksten Abteilung des TuRa heran. Auch im Abteilungsvorstand machte sich der starke Zulauf bemerkbar. Siegfried Hennig, Gustav Kipar, Klaus Fiebelkorn, Raimund Altenwerth, Dirk Bosgraaf und Gerd Demmel stießen hinzu und unterstützten tatkräftig die Arbeit besonders im Jugendbereich.


Aufstieg in die 1. Kreisklasse

 1967 stellten sich dann die Erfolge ein, die sich schon 1965/66 angekündigt hatten. Die 1. Herrenmannschaft errang die Kreismeisterschaft im Hallenhandball und nahm somit an den "Südwestfälischen" teil, wo man den fünften Platz erzielte. In der Feldspielsaison erreichten beide Herrenmannschaften Plätze im vorderen und mittleren Tabellenteil. Zum Spielbetrieb konnten zwei Senioren-, eine Jugend- und zwei Schülermannschaften gemeldet werden.

Der Abteilungsvorstand (Reimund Kraas, Lorenz Stirnberg, Gerd Schulte, Heiner Ohlmeyer und Ulrich Blum) musste aber schon bald die unzureichenden Trainingsmöglichkeiten bemängeln. Hierin wurde der Grund für die sinkende Zahl der Aktiven gesehen. Obwohl auch 1969 die Trainingsmöglichkeiten nicht verbessert wurden, gelang der Handballabteilung mit dem Kreismeistertitel auf dem Großfeld durch die 1. Mannschaft ein großer Triumph. Möglich wurde dieser sportliche Erfolg auch durch die enge Verflechtung mit der Leichtathletik-Abteilung, wodurch man den Trainingsengpässen etwas Abhilfe schaffen konnte.


Herbert Geißler 1953 aktiver
Spieler und späterer Tura
- Abteilungsleiter Handball

1970 begann die Amtszeit von Herbert Geißler als Abteilungsleiter. Fünf Jahre übte er dieses Amt aus. Unterstützt wurde er bei seiner Arbeit durch die Sportkameraden Reimund Kraas, Otto Kipar, Ulrich Blum und Lorenz Stirnberg, denen es gelang, mit nur 24 Aktiven die Vizemeisterschaft zu erringen. Man betrieb wieder intensive Jugendarbeit, was 1971 dadurch belohnt wurde, dass nach dreijähriger Pause wieder eine Jugendmannschaft an der Meisterschaft teilnehmen konnte. Die Senioren erzielten sowohl im Feld als auch in der Halle gute Platzierungen. Aber auch die Kameradschaft und Geselligkeit wurden sehr groß geschrieben. Bestes Beispiel hierfür ist die Abteilungsfahrt 1971 nach Paris, die auf Einladung des Pariser Sportdirektors zum "Normandie-Cup'71" unter Teilnahme des Tambourcorps Freienohl möglich wurde.

Das Jahr 1973 war erreicht, da kam es dann zu Gesprächen zwischen den Handballabteilungen des TuRa Freienohl und des TuS Oeventrop, die noch im gleichen Jahr zur Gründung der SG Ruhrtal führten.

Wie es zur Gründung von SG Ruhrtal kam, können Sie unter dem Link SG Ruhrtal weiterlesen.

 

Literaturnachweis:
25 Jahre SG Ruhrtal - Vereinschronik 1973-98
Festschrift 75 Jahre TuRa 1888/09 e.V. Freienohl, August 1963
Festschrift 90 Jahre TuRa 1888/09 e.V. Freienohl, September 1978

Bildnachweis:
Bild 1: 25 Jahre SG Ruhrtal - Vereinschronik 1973-98
Bild 2 und 3: Karsten Schulte, Freienohl
Bild 4: Karl-Heinz Kordel, Freienohl
Bild 5: SG Ruhrtal